21.05.2025
Irgendwann kommt dieser eine Moment, in dem man die (noch) leere Mail anstarrt und sich denkt: „Okay. Wie sag ichs jetzt, ohne dass es eskaliert?“
Irgendwas zwischen:
„Es liegt nicht an dir, es liegt an mir.“
Und der vielleicht ehrlicheren Variante:
„Doch, es liegt an dir. Komplett sogar.“
(Okay, vielleicht nicht genau so.)
Wann es Zeit ist, ein Projekt zu beenden
Vor sehr langer Zeit hab ich hier schonmal über das Thema „Red Flags“ geschrieben, aber da ging es mehr darum, welche Red Flags mich bei neuen Anfragen aufhorchen lassen. Aber was ist, wenn man ein bestehendes Kundenprojekt loswerden will?
Gründe, aus denen ich Projekte schon beendet habe:
- Ständiges Micromanagement: Mein persönlicher Horror und Schlussmach-Grund #1. Manche Kund:innen können/wollen die Arbeit nicht wirklich abgeben, sondern brauchen einfach nur eine blind ausführende Kraft. Bin ich nicht, will ich nicht.
- Zahlungsverzug: Es passiert immer mal, dass ne Rechnung durchrutscht oder vergessen wird. Kennen wir alle. Einmal ist keinmal, aber wenn ich mehr Mahnungen als Rechnungen schreibe, dann kann eine Zusammenarbeit auf Dauer nicht weiterlaufen.
- Fehlendes Vertrauen oder (das schlimmste) fehlender Respekt: Wenn jede Entscheidung hinterfragt oder unangenehm gechallenged wird: Puh. Anstrengend. Nichts gegen ne offene Diskussion, aber wenn sich jede Empfehlung wie ein Duell anfühlt, dann uff. Schlimmer als das ist eigentlich nur noch der fehlende Respekt. No thanks. Dafür hab ich mich nicht selbstständig gemacht.
- Geänderte Ausrichtung der Kommunikation passt nicht zu mir: Manchmal ändert sich das Unternehmen, manchmal ändert sich die Kommunikation. Das Äquivalent zu „man hat sich auseinander gelebt und in verschiedene Richtungen entwickelt“.
Grob gesagt: Wenn das Projekt in der Zusammenarbeit mehr Energie zieht als es mir gibt. (Kann auch in Form von Geld sein, lol, aber irgendwann hilft halt auch das beste Schmerzensgeld nimmer)
Wie sagt man ciao (professionell)
Der Klassiker ist ja die beliebte Ausrede „meine Kapazitäten haben sich geändert“. Also, kann natürlich auch stimmen (vor allem bei Neukundenanfragen), aber ehrlich gesagt kann ich das an einer Hand abzählen, wann so ne Situation bei meinen Bestandskunden passiert ist.
Ich weiß, es ist unangenehm, aber am besten ist es leider, wenn man mit der Wahrheit rausrückt, warum ein Projekt vielleicht einfach nicht mehr passt.
So lange man dabei klar, sachlich und freundlich bleibt, kann einem eigentlich niemand was. Ich finde es übrigens auch vollkommen in Ordnung, solche Nachrichten per E-Mail zu überbringen, statt am Telefon.
Was ich tue, wenn ein Projekt einfach nicht rentabel ist, darüber hab ich übrigens hier schon mal gebloggt! Vielleicht lässt sich damit ja auch schon was vermeiden.
Echte Nachricht, mit der ich vor einigen Jahren mal ein Projekt beendete (nur anonymisiert, na klar):
Hallo [ANSPRECHPERSON],
ich habe in den vergangenen Wochen nochmal über unsere Zusammenarbeit nachgedacht. Vor allem darüber, *wie* wir zusammenarbeiten und ob sich das für mich noch stimmig anfühlt.
Wir haben nun schon einige Abläufe angepasst und neue Maßnahmen eingeführt – trotzdem hab ich nicht den Eindruck, dass sich grundsätzlich etwas verbessert hat. Unsere Vorstellungen einer gemeinschaftlichen Zusammenarbeit liegen zu weit auseinander. Das ist kein Vorwurf, sondern eher ein Zeichen dafür, dass wir kein gutes Match (mehr) sind.
Deshalb möchte ich die Zusammenarbeit zum Ablauf unserer Vertragslaufzeit zum [DATUM] beenden. Ich möchte, dass meine Kund:innen mit meiner Arbeit(sweise) zufrieden sind, brauche gleichzeitig aber auch genug Eigenverantwortung und Vertrauen, um meinen Job gut machen zu können. Wenn das dauerhaft nicht funktioniert, ist ein Ende der Zusammenarbeit die beste Lösung für beide Seiten.
Natürlich beende ich das Projekt wie vereinbart. Ich schlage vor, dass wir bis zum [DATUM] einen gemeinsamen Termin für eine ordentliche Übergabe finden, damit ich dir alle Zugänge und Unterlagen rechtzeitig übermitteln kann. Nach Ablauf der Zusammenarbeit werde ich alle Dateien und Zugangsdaten löschen.
Ich danke dir für die bisherige Zusammenarbeit und stehe dir für Rückfragen natürlich zur Verfügung.
Viele Grüße
Jenni
Was ich bei so ner Mail wichtig finde: Klare Aussagen und keine Vorwürfe.
Wahrscheinlich ist ziemlich viel vorgefallen, bis man sich zu so nem Schritt entschließt, aber Wut, Verletztheit oder andere persönliche Befindlichkeiten sollten aus so ner Mail möglichst rausgehalten werden. Klappt nicht immer, aber ich kann hier natürlich erstmal schlau daherreden.
Und hey – manchmal braucht man halt ein bisschen Abstand (und bissi weniger Puls), bevor man so ne Mail raushaut.
You can do hard things
Übrigens: Ich empfehle ja gerne Leute aus meinem Netzwerk weiter, vor allem bei neuen Anfragen. Aber ich würde niemals einen „Horrorkunden“ an jemand anderen vermitteln, nur damit ich mich fein rauswinden kann.
Denn diese Frage kommt dann in 80 % der Fälle: „Kennst du nicht vielleicht jemanden, für den das Projekt besser passt?“
Bitte mach das nur, wenn du ehrlich sagen kannst, dass die Zusammenarbeit vielleicht einfach nur für dich nicht gepasst hat – und nicht, wenn du beim Schreiben der Empfehlung schon denkst „lol viel Spaß damit“.
Shitty Projekte an nette Freelance-Kolleg:innen weitergeben wie ne Packung ungeliebtes Mon Cherié geht gar nicht.
Und ja: Solche Schlussmach-Mails zu schreiben ist immer fucking unangenehm. Aber hey – du bist selbstständig. Du hast schon schlimmere Dinge tun müssen.
Denk zum Beispiel mal an deine Steuererklärung. 🙃🙃🙃
Emoji-Feedback (stimm ab!)
One comment
Comments are closed.