25.10.2023
Ich dachte, die Zeiten wären vorbei.
Die Zeiten, in denen mir mitleidige Blicke zugeworfen werden, wenn ich erzähle, dass ich selbstständig arbeite. Die Zeiten, in denen mir potenzielle Auftraggeber im Erstgespräch statt einem Auftrag einfach eine mögliche Festanstellung anbieten.
Als wäre das der heilige Gral. Als wären sie ein moderner Sankt Martin und gäben mir armem Tropf ein Stück ihrer sozialversicherungspflichtigen, abhängigen Beschäftigung ab.
Ich bin gerne selbstständig – freiwillig!
Notlösung Selbstständigkeit? Hab ich nie so gesehen.
Selbst dann nicht, als ich 2017 sehr verzweifelt nach mehreren Agenturjobs war und mich fragte „Was jetzt? Wo soll es für mich beruflich hingehen?“. Die Selbstständigkeit war da zwar keine einfache Entscheidung und ich es hat viele Gespräche mit lieben Freundinnen gebraucht, die mir den Mut zusprachen, den ich damals einfach nicht alleine hatte.
Ne, ich komme nicht aus einer Unternehmerfamilie. Ja, auch mir wurde von Kindesbeinen an eingetrichtert, dass eine Selbstständigkeit total kompliziert ist und man auf jeden Fall in der Altersarmut landet, wenn einen nicht das Finanzamt vorher schon in den finanziellen Ruin getrieben hat. Irgendjemand kennt immer irgendjemanden, der mal „den Schritt gewagt“ hat und dann reumütig in den Schoß der Festanstellung gekrochen ist, weil plötzlich die Steuer anstand oder was auch immer.
Wir alle kennen diese Horrorgeschichten. Trotzdem fühlte sich mein Schritt in die Selbstständigkeit eher wie der Griff nach dem rettenden Seil an, nicht wie nach dem letzten Ausweg und – naja – einer Notlösung halt.
"Irgendwann findest du schon wieder einen richtigen Job..."
Ich weiß nicht, ob es die aktuelle wirtschaftliche Lage ist, warum ich aktuell wieder vermehrt auf Menschen treffe, die der Überzeugung sind, das Ziel eines jeden Selbstständigen sei eine abhängige Beschäftigung. Und die Selbstständigkeit nur eine Übergangslösung, weil man halt „nichts anderes gefunden hat“.
Rückblickend empfinde ich es eher andersrum: Eigentlich waren all die Agenturjobs nur meine persönlichen Zwischenstationen, bis ich genug Selbstvertrauen (und genug Schmerz haha) aufgebaut hatte, um in die Selbstständigkeit zu gehen.
Nein, eine Selbstständigkeit ist sicher nicht für jeden Menschen das richtige Arbeitsmodell. Aber ich bin genervt davon, dass es immernoch Menschen gibt, die nicht glauben können, dass man bewusst und gern und vollkommen freiwillig selbstständig arbeiten will.
Gerne „bis zur Rente“. Und nicht nur, bis der nächste supertolle Job winkt und mich vor der ach so schrecklichen Notlösung der Selbstständigket „rettet“.
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