20. Juli 2022
Wenn dir auf Instagram jemand sagt, die Selbstständigkeit sei für ALLE genau die passende Arbeitsform (ja, auch für DICH!), dann bietet diese Person wahrscheinlich in ihrer nächsten Storyslide direkt die passende Membership oder (obacht, Angel Number) 7777 € teuren Onlinekurs an zum Thema „Wie du dein Herzensbusiness findest und nur noch für Soulclients arbeitest und [hier weitere leere Vokabel aus der Businessbubble einfügen]“. Da lernst du dann, wie du endlich in die Sichtbarkeit kommst (woher kommt eigentlich diese dämliche Formulierung und warum sagt man nicht einfach „Reichweite bekommen“ lol) und ein paar shady Akquisetaktiken, die der/die Kurserstelller:in von irgendwelchen USA-Marketinggurus geklaut, äh, gelernt hat.
Ja, selbstständig sein ist cool, ABER...
Also, nicht falsch verstehen. Ja, Selbstständigkeit kann wunderbar sein. Befreiend. Lohnenswert, nicht nur auf der monetären Ebene. Aber eben auch überfordernd, beängstigend und noch lange nicht jede Unternehmung funktioniert (dauerhaft).
Als Selbstständige:r bist du für alles selbst verantwortlich. Ausnahmslos. Die guten, wie die schlechten Entscheidungen musst du nun ganz alleine treffen.
Niemand sagt dir mehr, wie viel du arbeiten sollst oder musst, jede einzelne Entscheidung wird nun von dir getroffen. Keine Chefin, kein Teamlead, oft noch nicht mal Teamkollegen, mit denen du dich mal kurz in der Kaffeepause austauschen kannst. Themen wie Versicherungen, Finanzplanung und Steuern sind allgegenwärtig und noch immer höre ich von viel zu vielen fellow Selbstständigen, dass sie sich null um Altersvorsorge und Co. kümmern, geschweige denn das in ihren Preisen berücksichtigen. Naja, ich schweife ab, das ist ein Thema für einen anderen Tag.
Disclaimer: Ich meine hiermit jetzt explizit Leute, die mit einer Selbstständigkeit wirklich ihren kompletten Lebensunterhalt verdienen wollen und müssen und nicht noch ein Erbe oder einen reichen Partner im Hintergrund haben und sich deshalb nur ein Taschengeld dazuverdienen müssen oder wollen.
Ist dir nach einem regulären, „easy“ 9 to 5-Job, dann ist das okay. Diese Dämonisierung vom Hamsterrad, in dem sich ausnahmslos alle Angestellten befinden sollen – da krieg ich Hass, wenn ich das mal wieder in nem ✨ inspirierenden Post ✨ auf Instagram oder LinkedIn irgendwo lese.
Es ist voll okay, wenn du nicht „in deinem Herzensbusiness“ arbeitest sondern einfach im Supermarkt an der Kasse oder in irgendeinem 08/15 Büro. Es ist okay, wenn du dir auch nach Feierabend nicht den Kopf über die nächste Business Idee zerbrichst oder wie du dich und deine Socials so richtig nach vorn skalieren kannst. Du kannst auch einfach nur nen Job haben, keine Berufung, und (ganz schlimme Vorstellung von vielen Online Entrepreneuren) für jemand anderen arbeiten.
Einfach 30 Tage Urlaub (oder wie viel auch immer) bekommen, alle Vorzüge des Arbeitsrechts genießen, Sozialversicherungsleistungen einstreichen und nach getaner Arbeit mehr oder weniger zufrieden nach Hause gehen und dort die Dinge machen, die dein Herz füllen, aber vielleicht nicht unbedingt deinen Geldbeutel.
Sidenote: Und nein, nicht alles muss ein Side Hustle sein. Du kannst auch einfach nur Stricken, weil du Stricken magst. Du musst nicht direkt Hannes Häkelshöppchen auf Etsy eröffnen. Auch, wenn dir Instagram und Co. da was anderes erzählen wollen.
Bist du ein Unternehmertyp?
Nein, an ein „Gründergen“ glaub ich natürlich nicht, aber ich glaube schon, dass es mit gewissen Persönlichkeitstypen einfacher ist, eine erfolgreiche Selbstständigkeit aufzubauen.
Dazu gehört ein gewisses Durchhaltevermögen und auch Resilienz – vor allem aber der Wille, Verantwortung für die eigenen Entscheidungen und Handlungen zu übernehmen. Leute, die sich in der eigenen Opferrolle sehr wohl fühlen, werden in der Selbstständigkeit nicht glücklich.
Hast du aber ne richtige Goldidee, so richtig Bock dich in die Irrungen und Wirrungen der Selbstständigkeit zu stürzen, dann tu es! Ich finds ✨ klasse ✨, für mich war es auf jeden Fall die goldrichtige Entscheidung und ich würde es nicht anders haben wollen. Auch, wenn echt nicht immer alles easypeasy ist, so wie diverse Business Girls/Boys in ihren Reels das vortanzen. Trotzdem ist es für mich (!) und für meine Lebensumstände die beste Entscheidung, die ich treffen konnte.
Sei dir einfach nur bewusst: Es ist nicht die einzige Option (und nein, die 7777 € Masterclass mit Workation auf Bali macht dich nicht automatisch zum Funnel-Bossbabe).
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