Unbezahlte Praktika. Eigentlich ja kein neues Prinzip, klingt aber eben auch nicht so sexy. Und passt leider auch nicht wirklich gut die Welt der Coaches, Experten und (Online-) Entrepreneure, die ja gerne mal ungefragt mit dicken Geldscheinbündeln in zweifelhaften Ads wedeln und von „Skalieren und abcashen“ daherfaseln. Deshalb haben sich jetzt findige Boss-Füchse etwas ganz Neues dazu ausgedacht und das „unbezahlte Praktikum“ auf ein ganz neues Level gehoben.
Was könnte noch frecher sein als unbezahlte Praktika?
Welch sehr gute Frage, die natürlich niemand gestellt hat. Die Lösung? Statt Geld wird immer häufiger in Workshops, Bildungscredits oder sonstigen eigenen (natürlich digitalen) Produkten bezahlt. ZACK, schon klingt das unbezahlte Praktikum schon gar nicht mehr so unverschämt und man kann weiter so tun, als würde man sich für faire Löhne, Gleichberechtigung oder sonstige wichtige Themen unserer Zeit engagieren. Lieber semi-deepe Bullshitsprüche von Pinterest klauen und der eigenen Story posten anstatt Leute anständig bezahlen. #Girlboss #Empowerment #Wertschätzung #Girlpower #NewWork
Wir reden hier übrigens nicht von zweiwöchigen Schulpraktika, die natürlich durchaus unvergütet stattfinden können, weil sie in erster Linie tatsächlich der Schüler*in helfen, sich beruflich zu orientieren. Nein, ich meine hier teilweise bis zu 40-Stunden-Wochen über Monate hinweg, die schamlos als „Orientierungspraktikum“ mit „Aussicht auf Übernahme“ oder sogar mit Titeln wie „Head of bla“ oder „Teamleiter VAs“ angepriesen werden. Kann man ja später in sein LinkedIn ballern, EINFACH GEIL! Und überhaupt nicht entwertend.
Häufig noch mit Bullshit-Aussagen wie „Teile unsere Vision! Sei Teil eines größeren Ganzen! Lass uns gemeinsam Träume verwirklichen!“ Disclaimer: Es sind hier ausschließlich die Träume der Stellenausschreiber*in gemeint. Die Person lacht sich nämlich schön ins Fäustchen, während du umsonst Grafiken schrubbst, Content recherchierst oder Community Management machst.
Komm, lass mal ne eigene Währung erfinden
Ach sorry, natürlich nicht UMSONST umsonst. Natürlich hat der smarte Bullshit-Unternehmer vorher noch schnell eine eigene Währung erfunden, irgendwelche Coaching-Points, die dann natürlich nur in die eigenen Dienstleistungen investiert werden kann. Lieblos irgendwelche Coachings oder Onlinekurse als Bezahlung dargeboten – ZACK, ist doch alles Paletti, oder?
Erst heute bin ich nach so einem Aufruf einem Instagramaccount eines „Experten“ entfolgt, weil er so einen Aufruf postete. Scham.los.
Srsly, ich kann gar nicht sagen, wie sehr mich dieses ausbeuterische Verhalten ankotzt. Auch hier wieder die Frage: Wo lernen die Leute sowas? Wer glaubt ernsthaft, sowas sei okay? Und wer macht sowas mit und lässt sich so verarschen?
Mindset statt Money
Oooh, diese neuen Möglichkeiten der Frechheit. Ich sehe sie vor mir.
Kassiererin: „Das macht dann 24,92 €, bitte.“
Ich: „Oh nein, mein Einkauf hier ist unbezahlt, aber ich biete Ihnen einen Gutschein für meine eigene Dienstleistung im Wert von 50 € an. Das ist doch eine WIN-WIN-Situation, oder? „
Raus aus dem „Hamsterrad“ (wie ich diesen Spruch hasse) rein in die Welt unbezahlter Arbeit. Living the entrepreneurs dream. Ich denke, ich werde noch heute mit meiner Vermieterin sprechen und sie fragen, ob ich die nächste Miete mit jenni.works Coaching-Points bezahlen kann. Ich kann z.B. eine Instagram-Strategie gemeinsam mit ihr entwickeln. Oder einfach ein paar Memes für sie rausballern. Naa, naaaa?
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