24.07.2024
Vor einigen Wochen erzählte mir eine Freelance-Bekannte, dass sie ab September wieder in eine Festanstellung geht. Eventuell ist mir da ein kleines „WAS????“ 😳 entglitten, weil ich das null nachvollziehen konnte. „Warum das denn??“ Ihre Antwort: Meine Bekannte hat einfach keine Lust mehr auf ihre Selbstständigkeit und meinte zu mir: „Jenni, wenn dir dein Traumjob angeboten wird, dann würdest du auch ja dazu sagen!“ Aber…. würde ich das wirklich?
Inzwischen bin ich seit über 6 Jahren Vollzeit selbstständig – das ist die mit Abstand längste Zeit, die ich in ein und demselben „Job“ verbracht hab.
Ich hab oft und schnell meine Jobs gewechselt
Kennt ihr das, wenn einem Leute sagen „bleib mindestens 2 Jahre in einem Job, bevor du wechselst?“. Naja. An diesen weisen Ratschlag hab ich mich nie gehalten, sondern bin immer sehr viel früher weitergezogen.
Erst jetzt in meiner Selbstständigkeit hab ich nicht mehr das Bedürfnis, plötzlich hinzuschmeißen und was komplett anderes zu machen.
(Meistens zumindest, haha! Selbstzweifel gibt es natürlich trotzdem immer mal wieder)
Meine Selbstständigkeit ist vielleicht nicht das, was man unter „Traumjob“ versteht. Scheint mir jeden Tag die Sonne ausm Hintern und springe ich immer freudig jauchzend an den Schreibtisch? Ehh, nein. Aber meine Selbstständigkeit ist die angenehmste Arbeit, die ich mir vorstellen kann. Denn ich kann sie mir weitestgehend so gestalten, wie ich das möchte.
Klar ist da nicht immer alles rosarot und manchmal hab ich auch so richtig null Bock auf meine täglichen To Dos. Aber das, was ich habe, gegen eine Festanstellung eintauschen? Seh ich nicht. Wirklich nicht. Dafür weiß ich einfach zu gut, dass ich es in einer Festanstellung einfach nicht lange aushalten würde.
Meine Gründe für das Scheitern in der Festanstellung
Vorab: Die meisten der nachfolgenden Punkte haben zum aller, aller größten Teil was mit mir selbst zu tun. Nicht mit den Unternehmen, bei denen ich gearbeitet hab. Das hier ist kein Fingerpointing in deren Richtung, aber sehr viel eher in meine eigene. Viele Dinge „sind halt so in ner Festanstellung“, das ist auch okay. Für manche. Nur eben nicht für mich.
1. Ich liebe Struktur, aber eben nur meine eigene.
Dazu hab ich sogar schon mal einen Blogpost geschrieben: Ich liebe Routinen! Aber die müssen eben sinnvoll für mich sein. Das fängt beim Arbeitsbeginn an und hört bei der Wahl der Kommunikationstools auf. Womit ich nicht gut klar komme? Strukturen, die mir übergestülpt werden und deren Sinn ich nicht verstehe, oder die mir sogar ungerecht erscheinen.
Denn neben einer großen Ordnungs- und Strukturliebe, hab ich auch ein unfassbar hohes Bedürfnis nach Unabhängigkeit. Mit Vorschriften und Strukturen, deren Sinn ich nicht erkennen kann, komme ich daher wirklich nicht gut klar.
2. Ich brauche eine ruhige Arbeitsumgebung.
Ich funktioniere einfach nicht in Großraumbüros. Ich hasse es, dass man ständig unterbrochen wird. Irgendwo klingelt immer ein Telefon, irgendwer will immer Musik hören und ist sich zu fein für Kopfhörer.
Nirgendwo arbeite ich so gut wie zu Hause in meinem (stillen) Home Office-Kämmerlein. In welchem Unternehmen gibt es schon Einzelbüros? 😀
3. Die meisten menschlichen Interaktionen machen mir Stress.
(Vor allem synchrone Kommunikation)
Ich bin wirklich sehr introvertiert. Klar führe ich mal Telefonate bzw. Videocalls mit meinen Kunden, aber die allermeiste Kommunikation läuft bei mir asynchron über Tools wie Trello oder E-Mails. (Außerdem arbeite ich glücklicherweise fast nur mit netten Leuten zusammen, da geht das! hehe)
Diese Freiheit über die Wahl der Kommunikationsmittel schätze ich sehr – das ging in Festanstellungen natürlich nicht. Da wurde sehr, sehr viel telefoniert und Zeit in Meetings mit dutzenden Leuten verschwendet.
4. Ich bin/war krasse People Pleaserin und wollte es immer allen Recht machen.
Ein Punkt, an dem ich sehr viel arbeite und bei dem ich schon sehr große Fortschritte gemacht hab. Aber ich sehe das ähnlich, wie Leigh Elena Henderson hier in ihrem Reel:
Nette Menschen werden am Arbeitsplatz häufig ausgenutzt. „Das hier kannst du doch noch schnell fertig machen, oder?“, „Kannst du diesen Wochenenddienst nicht auch noch übernehmen?“, „Hier das neue Projekt, das weise ich dir mal zu, okay?“.
Ja, Schlaumeier, die Lösung wäre hier natürlich einfach NEIN zu sagen. Easy. Konnte ich aber ganz lange nicht. Weil ich immer dachte, ich „muss ja“, denn es ist „mein Job“. Fellow People Pleaser kennen das bestimmt, diesen Groll, den man dann gegen sich und Kolleg*innen aufbaut, weil man immer wieder denkt „die müssten doch mal merken, dass…“ und man selbst den Mund nicht aufkriegt.
Ja, People Pleasing kann auch in der Selbstständigkeit zum Problem werden, auch da spreche ich leider aus Erfahrung. ABER da ich meine eigene Chefin bin, fällt es mir in meinem eigenen Konstrukt viel, viel leichter, nein zu sagen und Regeln aufzustellen (und auf die Einhaltung zu pochen).
5. Ich konnte mein Gehalt nie ordentlich verhandeln und war danach immer sauer auf mich und meinen Arbeitgeber.
Geht eigentlich mit dem vorherigen Punkt Hand in Hand:
OMG war es mir unangenehm über Geld zu sprechen. Hilfe. 😭 Für mich war es lange Zeit das ALLERSCHLIMMSTE, wenn jemand von mir denken könnte, ich wäre gierig oder… würde den Job nur wegen des Geldes machen?? (Ehm, ja… the irony. Arbeiten wegen Geld, wer macht das schon)
Das Gute: In ner Selbstständigkeit muss man ständig über Geld sprechen. Ich schreibe so oft Angebote, Verhandlungen sind vollkommen normal. Wenn mir jemand sagt „Oh, das passt nicht ins Budget“, dann löst das in mir keine Panik mehr aus, sondern ist was ganz normales.
6. Ich bin multi-interessiert und hasste es, immer nur in einer sehr engen Jobbeschreibung zu arbeiten
Auch dazu hab ich hier schon mal ausführlicher gebloggt. Was mich früher oft gestört hat, war der eng abgesteckte Tanzbereich. Als Social Media Managerin durfte ich auch nur die Dinge tun, die in meine offiziellen Aufgabenbereiche fielen. Grafiken erstellen? Oder Konzepte schreiben? Dafür gab es andere Kolleg*innen.
Heute bin ich super froh, so viele unterschiedliche Dinge machen und mir aussuchen zu können, was ich anbieten will – und natürlich auch, was nicht. Niemand kann mir was vorschreiben.
Zusammengefasst: Ich glaub, die Selbstständigkeit hat mich ein bisschen für Festanstellungen versaut, haha.
Wenn ich das so lese, dann denke ich mir auch „puh, welches Unternehmen soll dir das denn so anbieten können?“. Und der Joke ist ja gerade: Das kann mir kein Unternehmen dieser Welt so anbieten. Warum sollten sie auch?
Mir ist natürlich sehr wohl bewusst, dass Unternehmen eigene, feste Strukturen brauchen und sich nicht an jede*n einzelne*n Mitarbeiter*in anpassen können.
Deshalb hab ich ja auch mein eigenes gegründet. 🙃
Emoji-Feedback (stimm ab!)