Ah, an diesem Post sitz ich schon wochen-, wenn nicht sogar monatelang. Ich hab ihn immer wieder umgeschrieben, neu formuliert, in den Papierkorb geworfen, wiederhergestellt, nochmal neu getippt… Und jetzt muss er vielleicht einfach mal raus. Gibt sicher auch irgendwann nen Part 2 (oh boi, Fehler hab ich genug gemacht), aber hier erstmal: Part 1 der Fehler, die ich in der Selbstständigkeit gemacht hab.
Ich hab überlegt, welche Projekte ich aktuell und in der Vergangenheit gemacht hab, die mir viel, wenig oder auch so gar keinen Spaß gemacht haben. Welche, die super gelaufen sind. Welche die okay gelaufen sind und vor allem hab ich mir die angeguckt, bei denen es geknirscht hat, die mir echt so gar keinen Spaß gemacht oder nicht das gewünschte Ergebnis gebracht haben. Oft gibt es da sogar ne Schnittmenge. Wer hätte es gedacht!
Man schreibt ja gern über die eigenen Erfolge und was alles so super läuft, aber eher selten über die Dinge, die so richtig, richtig schief gelaufen sind. Und ich sag euch, ich hab schon einige richtig dumme Sachen gemacht (irgendwann erzähle ich vielleicht auch mal davon, wie ich statt 180 € satte 18.000€ [sic] auf einer Facebook Ad eingestellt habe, aber dazu bin ich noch nicht bereit).
Ein paar der angesprochenen Punkte liegen jetzt auch schon einige Monate oder sogar Jahre zurück. Ein paar Geschichten hab ich aus Gründen der Anonymität abgeändert und verfremdet, der Kern bleibt aber richtig.
Wichtig ist mir eigentlich, dass ich aus all diesen Fehlern etwas mitgenommen hab für zukünftige Zusammenarbeiten. Aber, ganz ehrlich? Ein paar Punkte sind zwar einfach erkannt, aber nicht so leicht gebannt. Manchmal kann man eigene Verhaltensmuster nur schwer abstellen, manchmal hat man auch einfach Pech mit der/dem Ansprechpartner:in auf Kundenseite.
Allen blöden Situationen werde ich in meinem Leben als Dienstleisterin wohl nie aus dem Weg gehen können, aber vielleicht schaffe ich es ja, dass die unangenehmen Zusammenarbeiten nicht aus Fehlern entstehen, die ich gemacht habe.
1. Fehler: Aufgabenbereich nicht klar genug abgesteckt
Ich starte direkt mal mit nem schönen englischen Buzzword: Scope Creep. Was ist das überhaupt?
„Scope Creep bezeichnet auf Änderungen, kontinuierliches oder unkontrolliertes Wachstum des Projektumfangs nach Projektbeginn.“
(Quelle: Wikipedia)
Ja, wahrscheinlich kennen wir das alle: Das Projekt scheint klein und überschaubar und plötzlich kommen immer mehr To Dos dazu, von denen bei Angebotsverhandlung noch gar keine Rede war. „Kannst du hier mal schnell„, „Das ist doch noch inklusive, oder?„. Man kennt es. Ich glaube übrigens nicht, dass da immer ein böser Wille dahinter steckt. Manchmal sind die Kund:innen ja auch einfach zu wenig vom Fach, als dass sie jedes Projekt immer von vorne herein richtig einschätzen können. Oder Begriffe sind einfach nicht richtig klar. Ich verweise mal galant auf meinen „How to speak Bullshit (fast)“-Blogpost.
Konkretes Beispiel von mir: Einmal bekam ich eine Kundenanfrage, ob ich die Redaktionsplanung für die Social Media Kanäle eines Unternehmens übernehmen könnte. Ich schrieb also fleißig ein Angebot für die Contenterstellung, schickte es an das Unternehmen, wo es freudig angenommen wurde.
Im Kickoff-Termin später bekam ich dann Infos zum Community Management des Kanals und die Notfallkontakte, an wen ich mich dann wenden könne, wenn es am Wochenende kritische Kommentare gäbe. Äh, Moment… Wochenende? Community Management?
Von Community Management war zuvor gar nicht die Rede gewesen. Schon gar nicht 24/7. Das hatte ich dementsprechend auch nicht in mein Angebot aufgenommen – geschweige denn bot ich das überhaupt an. Für die Kund:innen war das aber ganz klar auch unter „Redaktionsplanung“ zu verstehen. Das Gespräch war echt nicht schön und das Ende vom Lied war ein geplatzter Auftrag für mich und ein erboster Kunde, mit dem ich wahrscheinlich nicht wieder zusammenarbeiten werde.
Das hab ich daraus gelernt: Ich verschicke keine Angebote mehr ohne intensives Vorgespräch. Ich hab mir einen kleinen Fragenkatalog erarbeitet, den ich bei jeder Neuanfrage durchgehe. (Der liegt in Notion ab, klar). Eine, sehr wichtige Frage daraus: „Was genau verstehen Sie ganz konkret unter der Aufgabe und wie sieht für Sie eine erfolgreiche Erledigung aus?“ Ja, manchmal gibt’s dann ne unangenehme Stille oder auch ne blöde Antwort, aber das hat mich inzwischen schon oft vor Fehlinterepretationen bewahrt. So kann ich meine Angebote genauer formulieren und (einfach gesagt) nicht einfach nur sagen „Redaktionsplanung“ sondern z.B. „Redaktionsplanung á x Posts pro Woche auf x Kanälen, davon 50% animierter Content, exklusive Community Management“.
2. Fehler: Zusagen, auch wenn das Bauchgefühl nicht stimmt
Merk ich immer wieder: Mein Bauchgefühl ist schlauer als ich. Bei so ziemlich jedem shitty Projekt der vergangenen Jahre hatte ich direkt ein komisches Gefühl. Doch statt rechtzeitig „nein“ zu sagen, dachte ich immer, ich wüsste es kopfmäßig schon irgendwie besser. Klassische Red Flags ignoriert. Etwa, wenn der/die Kund:in im Vorgespräch kein gutes Wort an früheren Freelancer:innen lässt und immer „die anderen“ Schuld waren. Oder der/die Ansprechpartner:in schlichtweg schon so unsympathisch rüberkommt.
Konkretes Beispiel von mir: Letztes Jahr, noch vor Coroni Panini, bekam ich eine Anfrage eines Startups aus dem Beauty Bereich. Die Gründerin lebte im Ausland und hatte einen kleinen Onlineshop gegründet, den sie nun mit Ads bewerben und ihren Instagram Kanal professionell betreuen lassen wollte. Ich hab also mit ihr telefoniert, um schon mal den Fehler aus Punkt 1 umgehen zu können und ihr dann ein ordentliches Angebot geschrieben. Daraufhin kam erst einmal lange Zeit… nichts. Nicht unüblich, aber auch nie schön, schließlich kostet so ein Angebot in der Regel ja auch Zeit.
Mehrere Wochen später dann rief sie mich an und fragte, wo denn nun das Angebot bliebe.
Ich so: „Hab ich dir doch vor x Wochen geschickt, hast du nix bekommen?“
Woraufhin sie meinte: „Ach, das war ernst gemeint? Ich dachte, das sei ein Witz. Ne, das ist viel zu teuer.„
Und nach vielem hin und her haben wir uns dann auf einen reduzierten Preis und einen reduzierten Leistungsumfang geeinigt. Dachte ich. Long Story short: Alles lief (in meinen Augen) gut, Feedback der Kundin war auch immer klasse – bis ich dann die erste Rechnung stellte. Dann kamen böse E-Mails, ich hätte in meinem Angebot doch viel mehr versprochen, wo sei denn das alles? Bevor ich nicht alles geliefert hätte, würde sie nix zahlen. Ende vom Lied: Bis heute hat sie mich nicht bezahlt. Und da sie im Ausland sitzt, lohnt es sich auch nicht, das Geld eintreiben zu lassen.
Das hab ich daraus gelernt:
- Ich nehme keine Kunden mehr aus dem Ausland an, zumindest nicht aus dem EU-Ausland. Wenns blöd kommt, dann kriegt man nämlich gar nix.
- Ich versuche mehr auf mein Bauchgefühl zu hören. Wenn sich in der Angebotsphase schon Dinge komisch anfühlen, dann mag das Projekt noch so verlockend klingen: Der „unsichtbare Preis“, den ich dafür zahle (nämlich meine Nerven) ist viel zu hoch.
3. Fehler: Zu harmoniebedürftig sein
Frage: Wie harmoniebedürftig bist du?
Jenni: Ja.
Ich bin ein Harmoniemensch. It’s in my personality. Ich hasse Konflikte, ich hasse es, „nein“ sagen zu müssen oder einfach unbequeme Gespräche zu führen.
Und das ist richtig dumm und gar nicht so gesund. Ich arbeite hart daran, das zu ändern und nicht allzu sehr nach Harmonie zu streben. Konfrontation und Konflikte auszuhalten. Öfter auch mal nein sagen. Unbequeme Entscheidungen zu treffen und Dinge aktiv anzugehen – selbst wenn das im ersten Moment unangenehme Situationen mit sich bringt.
Ja, wahrscheinlich wird aus mir nie die knallharte Business-Jenni die sich liebend gerne in Konflikte stürzt, jede Diskussion bis zum Ende ausfechtet und Streitgespräche als etwas positiv spannendes und anregendes empfindet. Und es gibt ja auch noch einen Mittelweg zwischen krankhafter Harmoniesucht und larryhaftem Bossgehabe. (teach me senpai wenn du diesen Weg schon gemeistert hast)
Konkretes Beispiel von mir: Ich erinnere mich an einen Kundenauftrag vor ein paar Jahren, da ging es um eine einfache Anzeigenschaltung. Ich sollte also eine Kampagne auf Facebook schalten, der/die Kund:in lieferte Text und Bild und ich stellte anschließend die Zielgruppen ein, legte die Kampagne an und überwachte die Ausspielung. So weit, so Routine.
Die Kampagne lief kaum ein paar Stunden, da bekam ich einen aufgebrachten Anruf des Kunden: Im Anzeigentext hatte sich ein Fehler eingeschlichen –irgendwas kleines, „deinen“ statt „deinem“ oder so, nix Wildes. Ich schaute nach, änderte den Text ab und gab dem Kunden noch mit „Keine Sorge, die Anzeige wurde erst wenigen Leuten ausgespielt, war nur eine Version von vielen und das wird den wenigsten aufgefallen sein. Kein Beinbruch„.
Der Kunde aber fuhr dann erst richtig auf: „Wie peinlich ist das? Was ist das für ein Erstkontakt, wenn Leute das sehen? Wie kann dir so etwas nicht auffallen?“
Und ich dachte: „Äh, Moment. Der Text kam ja gar nicht von mir, das ist doch dein eigener Text gewesen? Du hast ihn mir selbst geschickt, ich hab ihn doch nicht selbst geschrieben?!“
Ja, wär cool gewesen, wenn mir der Tippfehler des Kunden beim Einstellen der Kampagne aufgefallen wäre, aber das war nicht mein Job. Hab ich das dem Kunden gesagt? Nein, ich hab mich vor dem Konflikt gescheut, wollte nicht kleinlich wirken mit „Aber DU hast doch…“ – und hab dem Kunden auch noch einen Rabatt auf die Anzeigenschaltung gegeben. 🤡🤡🤡 Ich wiederhole: Wie konfliktscheu kann man sein? Jenni: Ja.
Das hab ich daraus gelernt: Im Nachhinein kann ich über mein damaliges Verhalten nur den Kopf schütteln. Ich hab dem Kunden mit meinem Rabatt ja quasi auch noch Recht gegeben, obwohl der Fehler gar nicht auf meiner Seite lag. Ich kann aber mit gutem Gewissen sagen: Heute passiert mir das nicht mehr.
Zwischenzeitlich gab es auf einem anderen Projekt auch mal so einen Vorfall in der Art (mir wurde ein falscher Link zur Bewerbung weitergeleitet), und da habe ich völlig anders reagiert. Ich hab zusammengestellt, welche Info mir wann mitgeteilt wurde und habe freundlich, aber bestimmt dargelegt, dass es nicht mein Versehen war. Und siehe da: Ich hab diesen Konflikt überlebt und hatte nur ca. eine einzige schlaflose Nacht deshalb. 💀 Aber wie gesagt: Ich arbeite ja auch noch an mir.
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